«Gemeinderat zu sein ist in unserem Alter schon ein eher spezielles Hobby»
Lilith Fluri und Philipp Eng sind beide 20 Jahre alt und haben gerade erst ihre Matura gemacht. Beide bekleiden ein für ihr Alter eher ungewöhnliches Amt: Fluri ist Gemeinderätin in Bolken, Eng Gemeinderat in Günsberg.
Wie sind Sie – als doch noch junge Stimmbürger – auf die Liste für den Gemeinderat gekommen?
Lilith Fluri: Bei uns zu Hause ist Politik allgegenwärtig. Meine Mutter war in den letzten Jahren Gemeindepräsidentin in Bolken. Ich wusste, dass neue Gemeinderäte gesucht werden, und sagte zuerst aus Jux, dass ich dieses Amt gerne übernehmen würde. Nachdem sich keine anderen Interessierten meldeten, habe ich mich dazu entschlossen, mich tatsächlich auf einer überparteilichen Liste zur Verfügung zu stellen.
Philipp Eng: Auch ich bekam durch meinen Vater und meinen Grossvater viel von der Politik mit. Ich bin zudem Mitglied der jungfreisinnigen Partei. Nachdem bei uns in Günsberg alle vier freisinnigen Gemeinderäte demissionierten und sich keine Nachfolger finden liessen, stellte ich mich zur Verfügung. Ich wurde relativ gut gewählt, das hat mich gefreut und so mache ich jetzt die ersten politischen Schritte.
Wie haben Sie Ihren Freunden und Kollegen erklärt, dass Sie sich für den Gemeinderat zur Verfügung stellen?
Eng: Das war für mein Umfeld fast selbstverständlich. Schon in der Schule war im Geschichtsunterricht immer klar, bei politischen Themen bin ich der Ansprechpartner. Die meisten meinten darum, das sei für sie kein Thema, aber für mich sicher das Richtige.
Fluri: Bei mir ging das so schnell, dass ich schon gewählt war, als ich es erzählen konnte. Die meisten haben die Nachricht ganz normal aufgenommen. Wenn ich ab und zu etwas aus dem Gemeinderatsalltag erzähle, staunen sie manchmal. Beispielsweise darüber, wie lange es geht und wie viel Vorbereitung es braucht, bis ein politischer Entscheid gefällt wird.
Eng: Ja – Gemeinderat zu sein ist in unserem Alter schon ein eher spezielles Hobby.
Wie waren die ersten Sitzungen im Gemeinderat?
Fluri: Ich habe gemerkt, dass ich mich in einer langen Sitzung manchmal sehr konzentrieren muss. Gerade, wenn Themen behandelt werden, die mich vielleicht bisher weniger interessiert haben. Auch wenn ich Bolken gut kenne und schon lange hier wohne, merke ich, dass ich vieles nicht weiss. Dieses Wissen muss ich mir jetzt aneignen. Aber ganz allgemein finde ich die Arbeit sehr spannend.
Eng: Ich habe schon sehr schnell gemerkt, dass ich gewisse Themen komplett anders ansehe, als meine etwas älteren Kollegen. Und auch ich muss mich einarbeiten und merke, dass ich lange nicht alles weiss, das in Günsberg passiert. Zudem kommt, dass ich keine Berufserfahrung habe. Das kann einem im Ratsalltag zugute kommen.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den anderen Ratskollegen?
Eng: Unproblematisch. Sie hören mir zu und akzeptieren meine Meinung. Wir sind fast alle neu im Rat und müssen uns deshalb alle einarbeiten.
Fluri: In Bolken hat es drei Bisherige im Rat. Aber wir haben einen guten Gemeindeverwalter, der die Gemeinde bestens kennt. Im Rat geht es kollegial zu und her. Ich werde von meinen Kolleginnen und Kollegen sehr unterstützt.
Ist Ihre – jugendliche – Art zu politisieren eine andere als die der Kollegen?
Fluri: Ich bin manchmal vielleicht etwas, sagen wir mal, naiv. Weil ich selbst noch jung bin und es in Bolken sehr viele Kinder und Jugendliche hat, habe ich beispielsweise vorgeschlagen, dass ein Open-Air-Kino realisiert werden könnte. Das wurde zwar nicht abgeschmettert, aber die erste Reaktion der anderen war, mich auf die viele Arbeit hinzuweisen, die es braucht, um einen solchen Anlass zu organisieren. Jetzt suchen wir einen Kompromiss: Möglicherweise wird das Roadmovie in Bolken haltmachen.
Eng: Ich merke eigentlich mehr, dass ich in den letzten Jahren natürlich schon sehr solothurnorientiert war und es Sachen gibt, die ich einfach nicht weiss, weil mir die Vorkenntnis fehlt.
Fluri: Das merke ich auch. Ich sehe gewisse Themen anders an und gehe sie auch anders an. Unbelasteter, weil ich die Vorgeschichte nicht kenne. Oder weil ich die Beziehungen einzelner Bolkner untereinander zu wenig kenne.
Eng: Das ist ein gutes Stichwort. Es gibt tatsächlich Sachgeschäfte im Gemeinderat, die man mit den dahinterstehenden Personen verknüpfen muss. Das ist nicht immer ganz einfach.
Junge Leute engagieren sich oft auch nicht, weil sie längere Auslandaufenthalte planen. Das machen Sie beide auch. Ist das ein Problem für Ihre Ratskollegen?
Eng: Das habe ich von Anfang an so gesagt. Für solche Fälle gibt es ja Ersatzmitglieder.
Fluri: Auch bei mir war das von Anfang an klar. Ich bin zudem nicht allzu lange weg und grösstenteils in den Schulferien.
Wie ist das, wenn man als junger Mensch in den Gemeinderat kommt und Elternteile hat, die dasselbe Amt auch schon ausübten?
Fluri:Es gab einige die fanden, dass meine Mutter jetzt über mich weiter Einfluss im Gemeinderat ausübt. Aber das ist absolut kein Thema. Meine Mutter äussert sich nur, wenn ich sie explizit nach etwas frage.
Eng: Bei mir sind es Vater und Grossvater, die schon im Gemeinderat waren. Die Bemerkung «jetzt kommt der Enkel auch noch» ist da schon fast vorprogrammiert. Aber Negatives habe ich nichts gehört. Ich finde das Amt als Gemeinderat spannend und mache es gerne. Sicher werde ich von meiner Familie unterstützt, aber das ist ja eigentlich normal.
Streben Sie eine politische Karriere an?
Eng: Ich finde Politik spannend und vielseitig. Eine politische Karriere würde mich schon reizen. Aber der Schritt vom Gemeinderat in den Kantonsrat ist riesig.
Fluri: Mir macht meine Arbeit im Gemeinderat Spass. Was später noch kommt, das weiss ich nicht.
Wie würden Sie Ihre ehemaligen Schulkollegen davon überzeugen, auch Gemeinderat zu werden?
Fluri: Als Gemeinderätin kann man aktiv mithelfen im Dorf, in dem man wohnt, etwas zu verändern. Man kann seine Meinung einbringen. Man lernt das politische System kennen. Man lernt andern gegenüber eine Meinung zu vertreten und für eine Sache einzustehen. Das sollten alle einmal ausprobieren.
Eng: Eine Meinung zu vertreten, das ist Politik. Man lernt diskutieren. Und kann etwas verändern durch seine Arbeit. In einem Gemeinderat lernt man auch, gemeinsam Lösungen zu finden.